10 Januar 2006

Schlamassel auf der Scheibenwelt - Pyramiden - Terry Pratchett

Leseprobe - Seite 261 ff:
"Bevor du mich passieren kannst, o Sterblicher", verkündete sie, "mußt du mein Rätsel lösen."
"Warum?" erkundigte sich Teppic.
"Was?" Die Sphinx zwinkerte erneut. Auf eine derartige Reaktion war sie nicht vorbereitet.
"Warum? Warum? Weil. Äh. Weil .... Warte einen Augenblick. Ic hglaube, weil ich dir sonst den Kopf abbeiße. Ja, ich bin ziemlich sicher."
"Na schön", sagte Teppic. "Ich höre."
Die Sphinx räusperte sich. Es klang wie ein leerer Lastwagen, der im Steinbruch zurücksetzte.
"Was geht morgens auf vier Beinen, mittags auf zwei und abends auf drei?" fragte die Sphinx selbstgefällig.
Teppic überlegte.
"Ds ist ein ziemlich schwieriges Rätsel, sagte er nach einer Weile.
"Ds schwierigste überhaupt", bestätigte die Sphinx.
"Hm."
"Du kannst bestimmt nicht die richtige Antwort geben."
"Tja ...," murmelte Teppic.
"Würdest du bitte die Kleidung ablegen, während du nachdenkst? Einige Stoffetzen bleiben immer zwischen meinen Zähnen hängen."
"Gibt es ein Tier, dem die Beine nachwachen, nachdem man es ...."
"Da liegst du völlig falsch", sagte die Sphinx und fuhr ihre Krallen aus.
"Du hast nicht die geringste Ahnung, oder?"
"Ich überlege noch immer", entgegnete Teppic.
"Das Rätsel bleibt dir ein Rätsel, nicht wahr?"
"Ich fürchte ja." Teppic beobachtete die Klauen. Diese Tier ist bestimmt nicht annhärend so gefährlich, wie es den Anschein haben mag, dachte er. Die Natur hat es viel zu üppig ausgestattet. Außerdem: Die Brust stellt sicher eine Behinderung dar, vom Gehrin ganz zu schweigen.
"Die Antwort lautet: 'Ein Mensch'", sagte die Sphinx. "Und jetzt ... Bitte leiste keinen Widerstand. Wenn Sterbliche wie du zu kämpfen versuchen, gelangen bittere Chemikalien in ihr Blut."
Teppic wich zurück und entging einer Klauenpranke. "He, nicht so hastig!" brachte er hervor. "Was soll das heißen: ein Mensch?"
"Ganz einfach", erwiderte die Sphinx. "Ein Baby krabbelt am Morgen auf allen vieren. Mittags steht es auf, und gegen Abend wird es zu einem alten Mann, der sich auf einen Stock stützt. Na, ist der Groschen gefallen?"
Teppic biß sich auf die Lippe. "Das alles passiert nur an einem Tag?" fragte er skeptisch.
Ein langes verlegenes Schweigen folgte.
"Es ist ein Dingsbums, eine Metapher", gab die Sphinx verärgert zurück und streckte erneut die Pranke aus.
"Nein, nein, warte!" beschwichtigte Teppic. "Ich möchte, daß wir diesen Punkt klären. Ist doch nur fair, oder?"
"An dem Rätsel gibt's nichts auszusetzen", stellte die Sphinx fest. "Es ist ein verdammt gutes Rätsel. Sei fünfzig Jahren verwirre ich Reisende damit zu Tode. Ja, sie zerbrechen sich den Kopf, denken noch in meinem Magen darüber nach."
"Oh, ich möchte die Qualität des Rätsels keineswegs in Frage stellen", versicherte Teppic. "Es ist tiefsinnig und symbolisch. Das ganze menschliche Leben, mit wenigen Worten zum Ausdruck gebracht. Aber du mußt zugeben, daß so etwas nicht an einem einzigen Tag geschehen kann, oder?"
"Nun, mag sein", erwiderte die Sphinx unsicher. "Aber das geht bereits aus dem Kontext hervor. Jedes gute Rätsel enthält Elemente dramatischer Analogie", fügte sie hinzu. Sie schien diesen Satz vor langer Zeit gehört zu haben, doch Teppic bezweifelte, ob sie den Autor begnadigt hatte.
"Ja", sagte er, setzte sich und strich einige Knochen beiseite. "Aber zeichnet sich die Metapher nicht durch innere Logik aus? Nehmen wir einmal an, die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt siebzieg Jahre, in Ordnung?"
"Meinetwegen", brummte die Sphinx im Tonfall einer Hausfrau, die gerade den Verkäufer hereingelassen hat und überlegt, wie sie dem heimkehrenden Ehemann am Abend auf einen neuen Staubsauger und die entsprechende Rechnung vorbereiten soll.
"Na schön. Gut, Der Mittag des metaphorischen Tages wäre also mit einem Alter von fünfundreißig Jahren gleichzusetzen, stimmt's? Nun, die meisten Kinder stehen bereits nach zwölf Monaten auf, und daher erscheint die Bezugnahme auf vier Beine nicht besonders angemessen, oder? Ich meine, der größte Teil des Morgens wird auf zwei Beinen verbracht. Wenn man dein Beispiel als Grundlage nimmt .... " Teppic zögerte, griff nach einem Oberschenkelknochen und schrieb Zahlen in den Sand. "Nach null Uhr dauert es zwahnzig Minuten, höchstens eine halbe Stunde, bevor das vierbeinige Baby - obwohl nicht unerwähnt bleiben soll, daß hier zwei Arme im Spiel sind - zu einem zweibeinigen Kleinkind wird. Na, habe ich recht? Sei fair."
"Nun ....", kommentierte die Sphinx.
"Und wenn wir den gleichen zeitlichen Maßstab anlegen: Einen Stock benutzt man wohl kaum um sechs Uhr, denn zu jenem Zeitpunkt beläuft sich das Alter erst auf zweiundfünfzig Jahre."
Teppic rechnete higebungsvoll. "Ich glaube, nach einer Gehhilfe hielte mn erst gegen halb neune Ausschau. Wobei wir natürlcih von der ANnahme ausgehen, die ganze Lebensspanne eines Menschen beschränke sich nur auf einen Tag, was ich, ehrlich gesagt, für absurd halte. Tut mir leid. Im Prinzip ist mit dem Rätsel alles in ORdnung; unglücklicherweise steht es in keiner Verbindung mit der Wirklichkeit."
"Nun", wiederholte die Sphinx, und diesmal klang es enttäuscht, "es läßt sich nicht ändern. Ich habe kein anderes Rätsel und muß damit vorliebnehmen."
"Vielleicht solltest du es ein wenig ändern."
"Wie meinst du das?"
"Sorg dafür, daß es ein wenig realistischer wird".
"Hmmm". Die Sphinx hob eine Klaue und kratzte sich an ihrer Mähne.
"Vielleicht hast du recht", sagte sie. Es klang nicht sehr überzeugt. "Ich könnte fragen: Was geht auf vier Beinen ..."
"Im übertragenen Sinne", warf Teppic ein.
"Was geht, im übertragenen Sinne auf vier Beinen, und zwar ...."
"Etwas zwanzig Minuten lang. Darauf haben wir uns doch geeinigt, nicht wahr?"
"Ja, ja. Was geht,
im übertragenen Sinne auf vier Beinen, und zwar zwanzig Minuten lang am Morgen ..."
"Nun, es erscheint mir ein wenig übertrieben, vom 'Morgen' zu sprechen", sagre Teppic. "Immerhin ist es erst kurz nach Mitternacht. Oh, sicher, definitionsgemäß handelt es sich um den Morgen, aber die Umgangssprache ordnet jene Phase der vergangenen Nacht zu. Was meinst du?"
Ein Schatten von Panik huschte durch das steineren Gesicht der Sphinx.

02 Januar 2006

Hintergrund zu "Die Welle"

Das Experiment "The Third Wave" wurde von Ron Jones 1967 in der amerikanischen Cubberley High School in Palo Alto/Kalifornien durchgeführt.
1972 hat er in einem kurzen Artikel seine Erfahrungen dieses Versuchs niedergeschrieben:
Während des Geschichteunterrichts, als die Klasse das Nazi-Deutschland besprachen, wurde er gefragt: Wie kann es geschehen, dass das deutsche Volk zusgesehen hat und geholfen hat, das jüdische Volk so grausam abzuschlachten. Wie konnte es geschehen, dass so viel behaupteten, nichts von Konzentrationslagern zu wissen. Warum haben so viele behauptet, sie wären nicht da gewesen, als jüdische Nachbarn und Freunde verschwanden.
Daraufhin überlegte er sich für eine Stunde, wie er den Schülern das "Gefühl" das in Deutschland während des zweiten Weltkriegs herrschte, näher zu bringen.
Das Buch die Welle folgt dann recht genau dem Bericht von Ron Jones. Im Buch nicht erwähnt ist, dass er am dritten Tag, seine Schüler fragte, ob sie weitermachen wollten. - Alle wollten, daraufhin verteilte er an alle 43 Schüler Kärtchen, von denen drei mit einem X markiert waren, diese drei sollten die Aufgabe übernehmen, jene, die sich nicht an die Regeln halten würden, zu melden.
Es war zu dieser Zeit, dass er von den Schülern gefragt wurde:
"Mr. Jones, for the first time I'm learning lots of things." "Mr. Jones, why don't you teach like this all the time." Das schockierte Jones, und er hatte das Gefühl, dass die Schüler alles tun würden, was er von ihnen verlangte. Er beschloss, es zu versuchen. Er gab ihnen die Aufaben: ein Banner zu designen, die Liste aller Wellen-Mitgliedern auswendig zu lernen, jeder sollte den Namen eines Freundes aufschreiben, der auch Interesse haben könnte, ein Mitglied zu werden. Neues Mitglied könne nur werden, wer die Regeln der dritten Welle beherrschte und schwor, sich an diese zu halten. Am Ende des Tages hatte die Welle 200 Mitglieder. Obwohl nur 3 Schüler, die Aufgabe als "Kontrolleur" zu fungieren, waren es bald 20 Schüler, die meldeten, wenn ein anderer nicht mit dem Wellen-Gruß grüßte, ein anderer kritisch über die Welle sprach.
Eigentlich wollte er das Experiment am 4. Tag beenden, weil er wirklich schockiert über die ereignisse und die eigendynamik war. Das Problem jedoch war, dass er es nicht abrupt beenden konnte, da viele Schüler sich wirklich hineingesteigert hatten und er sich nicht vorstellen konnte, dass es klappen würde, sie von heute auf morgen wieder zu normalen Schülern werden zu lassen.
Nachdem die Dinge langsam ausser Kontrolle gerieten, bestand auch nicht die Möglichkeit, das Experiment einfach weiter laufen zu lassen: Am Vorabend war jemand in sein Büro eingebrochen und hatte es durchwühlt, später stellte sich heraus, dass es ein Vater war, der selber in einem deutschen Kriegsgefangenenlager war.
Die Geschichtsstunde hatte mitlerweile über 80 Schüler, einige schwänzten dafür andere Fächer, in der Klasse hatten nur deswegen alle Platz, weil sie wie gelernt, diszipliniert saßen.
Zu diesem Zeitpunkt erkannte er, dass etwas getan werden muss: er klärte den Schülern, dass "die dritte Welle" ein nationales Programm sei, um Studenten zu finden, die für eine politische Änderung im Land kämpfen würden. Im ganzen Land verteilt gäbe es Lehrer wie ihn, die eine Jugendbrigade ausbildeten um der ganzen Nation eine bessere Gesellschaft durch "Disziplin, Gemeinschaft, Stolz und Handeln" vorzuführen. Dadurch könne die Richtung der ganzen Nation geändert werden! Am nächsten Tag soll eine Versammlung nur für Welle-Mitglieder statt finden.
Am nächsten Tag, als der Saal voll war, ließ er die Türen schließen und von einigen Welle-Mitgliedern bewachen. Noch bevor die Pressekonferenz beginnen sollte, ließ er die Schüler "exerzieren". Anschließend schaltete Jones den Fernseher ein, aber es war nur das schwarz, weiße Flimmern zu sehen. Es dauerte mehr als zwei Minuten, bis endlich einer der Schüler reagierte!:
"There isn't any leader is there?" Viele waren geschockt, ihre Gesichter drückten Unglauben aus.
Dann erklärte er ihnen, dass es keinen Führer gibt, dass sie benutzt und manipuliert wurden. Erst dann zeigte er einen Film über die Nürnberger Reichsparteitag. Der Film endete mit den Worten:
"Everyone must accept the blame No one can claim that they didn't in some way take part."
Nach dem Film blieb alles ruhig, keiner bewegte sich. Und in die Stille hinein begann Jones mit seinen Erklärungen.

Nach diesem Experiment wurde Jones entlassen.


Quelle: http://www.vaniercollege.qc.ca/Auxiliary/Psychology/Frank/Thirdwave.html

Morton Rhue - Die Welle

Diese Erzählung beruht auf einem "Experiment", das der Geschichtslehrer Ron Jones 1967 in einer Highschool durchführte.
Diese Geschichte spielt 1980 in einer amerikanischen Highschool. Während im Geschichtsunterricht die NS-Zeit in Deutschland durchgemacht wurde, stellte ein Schüler die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass so viele Menschen ein fach "zuschauten", nichts wussten, nicht rechtzeitig flohen. Ein Schüler meinte, dass dies heute nicht mehr passieren könnte.
Als die Schüler am nächsten Tag die Klasse betreten, steht an der Tafel: "Macht durch Disziplin". Er erklärt den Schülern, was es bedeutet und sagt ihnen, daß sie ab nun bei jeder Frage oder Antwort Mister Ross zu sagen und stramm zu stehen haben.
Die Schüler merken, daß man so mehr Erfolg erzielt und finden daran Gefallen. Mr. Ross schreibt zum vorhandenen Grundsatz noch zwei weitere auf die Tafel: "Macht durch Gemeinschaft" und "Macht durch Handeln". Am nächsten Tag bekam das Experiment einen Namen: Die Welle, ein bestimmter Gruß wird eingeführt, an dem sich die Mitglieder der Welle gegenseitig erkennen. Bald schlossen sich auch Schüler aus anderen Klassen dieser Bewegung an. Das ganze Experiment bekam eine Eigendynamik mit der selbst der Lehrer, der selbst im Erfolg des Unternehmens gefangen war, nicht gerechnet hatte. Erst als ein Schüler, ein Außenseiter, zusammengeschlagen wurde, und auf zureden seiner Frau, erkennt Ben Ross, dass das Experiment ein Ende haben muss. Er beruft für den nächsten Tag eine Versammlung für alle Mitglieder der Welle ein, indem er erklärt, dass die Welle auch auf andere Schulen ausgedehnt werden soll.
Als der Saal voll ist und alle schweigen, schaltet Mr. Ross die Fernseher ein, doch es ist nur ein Flimmern zu sehen. Als einer fragt, wo denn ihr Führer sei, geht der Vorhang auf, eine riesige Leinwand erscheint und man sieht Adolf Hitler sprechen. Mr. Ross sagt ihnen, daß das ihr Führer sei und sie genauso Faschisten sind wie es die Leute früher waren.
Alle gehen bestürzt aus dem Saal und somit ist die Welle aufgelöst.